Saturday, September 19, 2020 - 12:08German

 

Manfred Junkert 

Hauptgeschäftsführer 

Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie e. V. 

• Geringere Verkaufserlöse aufgrund der Corona-Pandemie 

• Im- und Export gesunken 

• Konjunkturpaket muss durch Belastungsmoratorium flankiert werden 

 

Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung 

Die Corona-Pandemie wirkt sich auf dramatische Weise auf die deutsche Lederwaren- und Kofferindustrie aus. Durch die Schließung der stationären Verkaufsstellen in Deutschland und vielen anderen Ländern brach der wichtigste Vertriebsweg weg. Die Verkaufserlöse der Branche gingen um 14,9 Prozent im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück. In den ersten sechs Monaten von 2020 betrug der Gesamtumsatz 283 Millionen Euro. Ein Großteil der Verkaufserlöse der Lederwaren- und Kofferhersteller wird in Deutschland erwirtschaftet. Im Zeitraum von Januar bis Juni 2020 ist der Inlandsumsatz gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 um ein Siebtel auf 204,3 Millionen Euro gesunken (-14,7 Prozent). Rückläufig entwickelten sich die Auslandsmärkte. Im ersten Halbjahr 2020 konnten die Lederwarenhersteller einen Umsatz von 78,8 Millionen Euro im Ausland gegenüber 95,8 Millionen Euro im Vorjahr erlösen. 

Bislang ist die Beschäftigungssituation in der Lederwaren- und Kofferindustrie stabil. Grund ist dafür unter anderem die Möglichkeit der Kurzarbeit. In den Betrieben mit 50 oder mehr Beschäftigten waren laut amtlicher Statistik im Monatsdurchschnitt 1.064 Personen beschäftigt. Die tatsächliche Zahl der Beschäftigten in der deutschen Lederwaren- und Kofferindustrie liegt mit schätzungsweise 2.800 Personen weitaus höher. 

Preise 

Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sind die Erzeugerpreise für Lederwaren um 1,2 Prozent gestiegen. Die Erzeugerpreise des verarbeitenden Gewerbes insgesamt waren im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 rückläufig. Diese sind um 1,1 Prozent gesunken. 

Die Verbraucherpreise haben sich für die verschiedenen Produktgruppen unterschiedlich entwickelt. Die Preise für Handtaschen sind im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum stabil geblieben, während die Verbraucherpreise für Aktenkoffer, Geldbörsen und Rucksäcke gesunken sind: Aktenkoffer: -1,9 Prozent; Geldbörsen: -0,3 Prozent; Rucksäcke: -0,3 Prozent. Preisanstiege sind für Koffer und Reisegepäck um 2,1 Prozent zu beobachten. Über den gesamten Warenkorb hinweg betrug der Preisanstieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum 1,2 Prozent. 

 

Außenhandel 

Exporte 

Im ersten Halbjahr 2020 wurden Lederwaren und Koffer im Wert von 860 Millionen Euro aus Deutschland exportiert. Im Vorjahreszeitraum betrug der Exportwert 1,03 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Rückgang von 17,1 Prozent. Der Export ist für viele Abnehmerländer zwischen 10 und 30 Prozent zurückgegangen. Die wichtigsten Abnehmerländer waren im ersten Halbjahr 2020 die Schweiz (-7,2 Prozent auf 97 Mio. Euro), Frankreich (-19,6 Prozent auf 81 Mio. Euro) und Österreich (-20,7 Prozent auf 69 Mio. Euro). Polen konnte trotz der Corona-Pandemie seine Bedeutung als Abnehmerland ausbauen. Während im ersten Halbjahr 2019 Lederwaren und Koffer im Wert von 90 Millionen Euro von Deutschland nach Polen exportiert wurden, stieg der Export in den ersten sechs Monaten von 2020 um 6,1 Prozent auf 96 Millionen Euro. Der europäische Binnenmarkt ist von großer Bedeutung für die Ausfuhr von Lederwaren mit Ursprung in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2020 wurden Lederwaren und Koffer mit einem Wert von 551 Millionen Euro in die Länder der Europäischen Union ausgeführt. Dies entspricht einem Rückgang von 17,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Ihr Anteil am Gesamtexport betrug 64,1 Prozent in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres. Zum 31. Dezember 2020 läuft die Übergangsphase und somit die Anwendung des EU-Handelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich aus. Eine Einigung auf ein neues Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich steht noch aus. Die heftigen Turbulenzen der Corona-Pandemie zeigen sich auch im Außenhandel mit dem Vereinigten Königreich. Von Januar bis Juni 2020 wurden Lederwaren im Wert von 42 Millionen Euro von Deutschland nach Großbritannien exportiert. Dies entspricht einem Rückgang von 31,1 Prozent gegenüber den ersten sechs Monaten von 2019. 

In unterschiedliche Richtungen entwickelte sich im ersten Halbjahr 2020 der Außenhandel mit Japan und Korea. Während der Export von Lederwaren nach Südkorea nur gering gesunken ist (-7,4 Prozent auf 20 Mio. Euro), sind hohe Rückgänge im Export nach Japan zu verzeichnen (-32,5 Prozent auf 14 Mio. Euro). 

Die Corona-Pandemie wirkt sich auf die Ausfuhr in den verschiedenen Produkten aus. Rückgänge sind für Reisetaschen aus Spinnstoffstoff, Reisekoffer aus formgepresstem Kunststoff und Kleinlederwaren im Vergleich vom ersten Halbjahr 2019 zum ersten Halbjahr 2020 zu beobachten (Reisetaschen aus Spinnstoff: -12,5 Prozent auf 104 Mio. Euro; Reisekoffer aus formgepresstem Kunststoff: -18,5 Prozent auf 55 Mio. Euro; Taschenartikel aus Leder: -30,5 Prozent auf 45 Mio. Euro). 

Handtaschenexporte 

Insgesamt wurden von Januar bis Juni 2020 7,3 Millionen Handtaschen mit einem Gesamtwert von 178,6 Millionen Euro aus Deutschland ausgeführt. Dies entspricht einem Rückgang der Stückzahl von einem Viertel im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019. Der Wert der exportierten Handtaschen ist im Vergleich um Vorjahreszeitraum um 0,8 Prozent gesunken. Der Durchschnittspreis einer exportierten Handtasche betrug im ersten Halbjahr 2020 24,36 Euro. Dies entspricht gegenüber dem ersten Halbjahr 2019 einem Anstieg um fast ein Drittel (+31,2 Prozent). 

Während die exportierte Anzahl an Lederhandtaschen um ein Fünftel von 1,8 Millionen auf 1,4 Millionen zurückging, ist die ausgeführte Menge an Handtaschen aus Kunststofffolie und anderen Stoffen von 5,6 auf 3,9 Millionen Stück gesunken (-30,7 Prozent). Ein geringerer Rückgang im Export liegt bei Handtaschen aus Spinnstoff vor (-11,4 Prozent auf 1,9 Mio. Stück).

Die Exportwerte von Handtaschen haben sich im ersten Halbjahr 2020 in unterschiedliche Richtungen entwickelt. Während die Exportwerte von Leder- und Spinnstoffhandtaschen im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 gestiegen sind (Leder: +1,5 Prozent auf 102 Mio. Euro; Spinnstoff: +18,4 Prozent auf 26 Mio. Euro), ist der Ausfuhrwert von Handtaschen mit Kunststofffolien um 12,4 Prozent auf 49 Mio. Euro gesunken. 

Aufgrund dessen sind die Durchschnittspreise der aus Deutschland ausgeführten Handtaschen gestiegen. Der Durchschnittspreis einer aus Deutschland exportierten Lederhandtasche lag im ersten Halbjahr 2020 bei 72,11 Euro. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 ist dies ein Anstieg um 27,4 Prozent. Für Spinnstoffhandtaschen und Handtaschen aus Kunststofffolie sind die Durchschnittspreise im Export gestiegen (Spinnstoff: +33,8 Prozent auf 13,27 Euro; Kunststofffolie: +26,4 Prozent auf 12,62 Euro). 

Importe 

Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 ist im ersten Halbjahr 2020 der Wert der gesamten Einfuhren von Lederwaren, Koffer- und Reisegepäck um 18,2 Prozent gesunken. Der importierte Warenwert fiel von 1,82 auf 1,49 Milliarden Euro. In allen Produktsegmenten sind Rückgänge im Importwert zu verzeichnen, wie beispielsweise für Reisegepäck (Reisetaschen aus Spinnstoff: -8,7 Prozent auf 216 Mio. Euro; Reisekoffer aus formgepresstem Kunststoff: -19,8 Prozent auf 104 Mio. Euro; Gürtel: -26,5 Prozent auf 54 Mio. Euro). 

Im ersten Halbjahr 2020 war China wie im Vorjahreszeitraum das wichtigste Lieferland Deutschlands für Lederwaren und Koffer. Es wurden in den ersten sechs Monaten des Jahres 2020 Waren im Wert von 624 Millionen Euro in Deutschland eingeführt, wobei der Einfuhrwert im Vergleich zum Zeitraum von Januar bis Juni 2019 um 17,9 Prozent gesunken ist. Der Anteil des chinesischen Importwertes am gesamten Importwert von Lederwaren und Koffern in Deutschland ist mit 41,8 Prozent stabil geblieben. Zurückgegangen ist hingegen der Anteil von Importen aus Italien am deutschen Importwert und zwar um 1,1 Prozentpunkte von 14,0 auf 12,9 Prozent. Wertmäßig liegt für Importe von Lederwaren und Koffern aus Italien ein Rückgang um fast ein Viertel (-24,7 Prozent) von 256 auf 193 Millionen Euro vor. Ähnlich hohe Rückgänge sind auch für Frankreich zu verzeichnen. Hier ist der Importwert von Lederwaren und Koffern um 17,8 Prozent auf 104 Millionen Euro vom ersten Halbjahr 2019 zum ersten Halbjahr 2020 gesunken. Zuwächse im Importwert sind für Vietnam und Polen zu verzeichnen (Vietnam: +1,3 Prozent auf 136 Mio. Euro; Polen: +2,9 Prozent auf 44 Mio. Euro). 

Handtaschenimporte 

Im ersten Halbjahr 2020 wurden in Deutschland insgesamt 18,2 Millionen Handtaschen eingeführt, was einem Rückgang von 26,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Der Wert der importierten Handtaschen ist in ähnlicher Höhe zurückgegangen (-23,5 Prozent auf 336 Mio. Euro). Der Durchschnittspreis einer importierten Handtasche betrug 18,47 Euro. Damit ist der durchschnittliche Preis der in Deutschland eingeführten Handtaschen um 4,4 Prozent gestiegen. 

In jedem Handtaschensegment wurden weniger Taschen im ersten Halbjahr 2020 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 importiert (Leder: -41,9 Prozent auf 2,0 Mio. Stück; Kunststofffolie: -24,3 Prozent auf 10,6 Mio. Stück; Spinnstoff: -23,9 Prozent auf 5,5 Mio. Stück). Geringere Rückgänge sind im Importwert der Handtaschen aus den verschiedenen Materialien zu beobachten. Während der Importwert von Lederhandtaschen um fast ein Drittel (-30,2 Prozent) von 250 auf 174 Mio. Euro vom ersten Halbjahr 2019 zum ersten Halbjahr 2020 gesunken ist, sind Rückgänge von etwa einem Siebtel für Handtaschen aus Spinnstoff und Kunststofffolie zu verzeichnen (Spinnstoff: -14,2 Prozent auf 52 Mio. Euro; Kunststofffolie: -14,8 Prozent auf 109 Mio. Euro). 

Für sowohl importierte Kunststoffhandtaschen als auch für Spinnstoffhandtaschen ist der Durchschnittspreis um 12,6 Prozent in den ersten sechs Monaten von 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gestiegen. Der Durchschnittspreis von importierten Lederhandtaschen ist um ein Fünftel (+20,1 Prozent) von 70,43 auf 84,57 Euro gestiegen. 

Ausblick 

Die Schließung der stationären Verkaufsstellen des Fachhandels verursacht einen nachhaltigen Schock: sowohl für Fachhandel wie Industrie. Für die deutschen Hersteller von Lederwaren, Koffer und Reisegepäck ist der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof von großer Bedeutung. Die Industrie hofft, dass sich die Innenstädte mit ihren Warenhäusern und Fachhandelsgeschäften erholen können. Neben der Schließung der stationären Verkaufsstellen sorgte auch die Einstellung des Personenverkehrs für einen abrupten Stop des Reisefiebers in Deutschland. Damit brach auch die Nachfrage nach Koffern und Reisegepäck ein. Nach den ersten vorsichtigen Grenzöffnungen und Möglichkeiten zu Reisen wird nun wieder vor nicht notwendigen, touristischen Reisen ins Ausland gewarnt. Wir befürchten, dass der unsichere Ausblick der gesamtwirtschaftlichen Situation das Konsumentenvertrauen und die Nachfrage nach Reisen verschlechtern wird. Dies wird auch die Nachfrage nach Koffern und Reisegepäck beeinflussen. Um eine Normalisierung der Geschäftstätigkeit zu ermöglichen, ist nicht nur ein Konjunkturpaket notwendig, sondern ein Belastungsmoratorium für Handel und Industrie. 

PRESSEINFO

ILM

Bundesverband der Schuh- und Lederwarenindustrie e. V. 

D-10117 Berlin